Koordinatensysteme der astromomischen Navigation

Koordinatensystem der Erde

Positionen auf der Erde werden durch Längen- und Breitengrade angegeben. Aber wo kommen diese Bezeichnungen her und warum benennt man sie in „Grad“?

 

Wir gehen davon aus, dass die Erde eine Kugel ist – in Wirklichkeit ist sie zu den Polen hin abgeplattet – und benennen signifikante Punkte dabei:

(geographischer) Nordpol PN und Südpol PS sind die Orte, an denen die Achse, um die die Erde sich einmal in 24 Stunden dreht, aus der Erdoberfläche heraus schauen würde.

Äquator EQ ist der Kreis mit dem größten Durchmesser, dessen Mittelpunkt im Erdmittelpunkt liegt und der in der Ebene senkrecht zur Erdachse ausgerichtet ist. Ein Kreis auf der Erde mit dem Mittelpunkt im Erdmittelpunkt heißt Großkreis – er hat den maximalen Umfang.

Längenmeridiane sind die Großkreise, die durch beide Pole gehen. Der Längengrad, der durch die Sternwarte von Greenwich verläuft, wurde als Nullmeridian festgelegt; alle anderen Meridiane werden von diesem Nullmeridian jeweils 180 ° West bzw. Ost gezählt.

Breitenparallele sind die Kreise, die parallel zum Äquatorkreis in nördliche und südliche Richtung angetragen werden können. Sie werden von 0° (Äquator) bis jeweils 90° Nord bzw. Süd gezählt.

 

Breiten-und Längengrade werden jeweils als Winkel im Kugelkoordinaten-Format vom Erdmittelpunkt aus angegeben. Referenz für Breitengrade ist der Äquator; Referenz für Längengrade der Nullmeridian. Breitengrade werden mit \varphi bezeichnet, Längengrade werden mit \lambda bezeichnet. Der Winkel zwischen Breitenparallel und Nordpol wird auch Breitenkomplement genannt: Breitenkomplement = 90° – Breitengrad \varphi

Koordinatensystem des Himmels

Wir gehen zur astronavigatorischen Betrachtung davon aus, dass die Erde im Mittelpunkt steht und die Gestirne sich auf einer Himmelskugel um die Erde drehen. Die Verlängerung der Erdachse führt uns zu Himmelsnord- bzw. Himmelssüdpol; projezieren wir den Erdäquator an die Himmelskugel, so erhalten wir den Himmelsäquator.

 

Der Himmelsnordpol liegt heute ganz in der Nähe des Nordsterns (Alpha Urase Minoris).

Die Position eines Gestirns wird wie bei Positionsangaben auf der Erde mit „Breitengraden“, die hier Deklination heißen, und „Längengrade“, die hier Stundenwinkel heißen, dargestellt. Stundenwinkel werden zu ihrem Bezugsmeridian noch weiter spezifiziert:

Greenwicher Stundenwinkel Grt (Engl: Greenwich hour angle (GHA))

Der Greenwicher Stundenwinkel Grt ist der Winkel zwischen der Projektion des Greenwichen Meridans an die Himmelskugel (Greenwicher Stundenkreis) und des Himmelsmeridians, in dem das Gestirn steht.

Himmelsmeridiane werden auch Stundenkreise genannt.

Es wird sofort klar, dass dieser Greenwicher Stundenwinkel natürlich keine statische Angabe für ein Gestirn ist, sondern ein Maß, das sich von Sekunde zu Sekunde merklich ändert. Als Erklärung dürfen wir hier ausnahmsweise anfügen, dass sich die Erde innerhalb von 24 Stunden ja einmal dreht. Oder wir bleiben bei unserem geozentrischen Weltbild und stellen fest, dass sich die Himmelskugel innerhalb von 24 Stunden einmal um die Erde dreht.

Der Greenwicher Stundenwinkel Grt wird von 0° bis 360° gezählt.

Für Sonne, Mond und Planeten kann dieser Greenwicher Stundenwinkel sekunden- genau aus dem Nautischen Jahrbuch entnommen werden. Für Fixsterne ist ein Referenz-Himmelsmeridian angegeben (Frühlingspunkt \aries ), zu dem alle Fixsterne eine (einigermaßen stabile) fixe Position haben.

Diese relative Position drückt sich aus in ihrer Deklination δ und dem Sternwinkel β. Der Sternwinkel β ist also der Winkel zwischen dem Stundenkreis des Frühlingspunktes und dem Stundenkreis des Fixsterns.

Der Frühlingspunkt ist der Punkt, in dem die Sonne bei Frühlingsanfang steht. Frühlingsanfang ist dann, wenn die Deklination der Sonne gleich null ist, der Bildpunkt der Sonne also direkt auf dem Äquator liegt. Die Länge von Tag und Nacht sind gleich – daher wird dieser Punkt auch Tag/Nachtgleiche oder Äquinoktium genannt.

Anders ausgedrückt ist der Frühlingspunkt auch der Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der nordwärts aufsteigenden Ekliptik. Als Ekliptik wird die scheinbare Bahn der Sonne an der Himmelskugel im Laufe eines Jahres bezeichnet. Die Lage des Frühlingspunktes ist im Vergleich zur Lage der unendlich weit entfernten Fixsterne nicht konstant.

 

Die Erde ist in ihrer Bahn um die Sonne um 23,5° geneigt. Sie wird dabei nicht umfallen sondern entsprechend der Kreiselgesetze mit der Polachse einen Kreisbeschreiben. Dieser Effekt wird auch Präzession genannt.

Möglicherweise kennen Sie diesen Effekt vom Spielzeugkreisel: Sobald er in Drehung versetzt wird und seine Achse aus der Vertikalen ausgelenkt wird, beginnt sich die Achse um die Vertikale zu drehen.

Die Polachse wird diesen Kreis in 25.800 Jahren durchlaufen. Zeigt die Polachse heute zum Nordstern, so wird sie in etwa 12.000 Jahren zur Wega zeigen. Das heißt auch für den Frühlingspunkt, der ja den Schnittpunkt des Äquators mit der Ekliptik darstellt, dass sich seine Lage in 25.800 Jahren um 360° geändert hat – herunter gebrochen auf ein Jahr wandert der Frühlingspunkt um 0,014°, was ca. 50“ entspricht.

Genau genommen ist noch ein zweiter Effekt zu berücksichtigen. In der Präzessionsbewegung führt die Erdachse eine kleine periodische Schwankung mit einer Auslenkung von ca. 20 Winkelsekunden und einer Wiederkehr von ca. 18,6 Jahren aus. Diese Bewegung resultiert aus der Wechselwirkung der verschiedenen Himmelskörper mit der Erde („Mehrkörperproblem“) und wird als Nutation bezeichnet.

 

Die Präzessions- und Nutationsbewegung sind auch der Grund, warum sich Sternwinkel β und Deklination δ der Fixsterne ändern.

Als die Definition des Frühlingspunktes getroffen wurde, stand dieser gerade im Sternzeichen „Widder“. Daher wird er auch Widderpunkt genannt und daher auch das Symbol \aries.

Heute steht er allerdings wegen der Präzessionsbewegung bereits im Sternbild „Fische“. Der zweite Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Ekliptik ist der Herbstpunkt – auch Waagepunkt genannt.

Ortsstundenwinkel t

Der Ortsstundenwinkel ist der Winkel zwischen der Projektion des Längenmeridians des Beobachters an die Himmelskugel (Stundenkreis des Beobachters) und des Meridians, in dem das Gestirn steht. (Stundenkreis des Gestirns)

Der Ortsstundenwinkel ist somit auch keine statische Größe sondern ein zeit- und ortsabhängiges Maß.

 

Der Ortsstundenwinkel t wird heute üblicherweise vollkreisig angegeben, d.h. von 0° bis 360° im Uhrzeigersinn zunehmend.

Es gibt auch halbkreisige Darstellungen, die einfach als Stundenwinkel bezeichnet werden.

Der östliche Stundenwinkel tE zählt von 000° bis 180° nach Osten. Der westliche Stundenwinkel tW zählt von 000° bis 180° nach Westen.

Umrechnung des halbkreisigen Ortsstundenwinkels in den vollkreisigen Ortsstundenwinkel:

t < 180°: tW = t

t > 180°: tE = 360°-t

Diese Darstellung kommt vor allem in logarithmischen Berechnungen zum Tragen.

Die Bestimmung des Ortsstundenwinkels ist recht einfach. Ist der Greenwicher Stundenwinkel Grt bestimmt wird die Länge dazugerechnet (Östliche Längen addieren, Westliche Längen subtrahieren) und schon ist der Ortsstundenwinkel bestimmt.

Ergeben sich Werte größer 360°, müssen 360° abgezogen werden. Bei negativen Werten müssen 360° hinzu gezählt werden. Halbkreisige Ortsstundenwinkel wie zuvor beschrieben.

Koordinatensystem des Wahren Horizonts

Der Beobachter auf der Erdkugel steht im Koordinatensystem des wahren Horizontes im Mittelpunkt. Alle Wahrnehmungen und Beobachtungen werden relativ zu seiner Position eingeordnet.

Das Äquivalent zur Äquatorebene bildet der Wahre Horizont. Der Scheinbare Horizont verläuft in Augeshöhe des Beobachters parallel zum Wahren Horizont.

 

Der Nordpunkt ist der Punkt auf der Ebene des Wahren Horizontes, der exakt 360° peilt. Dementsprechend gibt es auch noch den Südpunkt (rwP=180°), Ostpunkt (rwP=090°) und Westpunkt (rwP=270°).

Die Koordinaten eines Gestirns bestimmen sich dann aus der wahren Höhe des Gestirns über dem wahren Horizont und dem Azimut – dem Winkel zwischen dem Nordpunkt und dem Gestirn. Man kann es als eine Art „Peilung“ des Gestirns sehen.

 

Der Punkt an der Himmelskugel direkt über dem Betrachter heißt Zenit, der Punkt durch den Erdmittelpunkt bis zur unteren Schale der Himmelskugel heißt Nadir.

Die Großkreise vom Zenit zum Nadir werden als Vertikale bezeichnet.

Der Vertikal von Zenit durch Nord- bzw. Südpunkt zum Nadir ist der Himmelsmeridian. Der Vertikal durch den Ost- bzw. Westpunkt wird als Erster Vertikal bezeichnet.

Gestirne genau im Osten bzw. Westen stehen auf dem Ersten Vertikal. Gestirne genau im Süden bzw. Norden stehen auf dem Himmelsmeridian.

Der Beobachter kann jedoch nur den Winkel eines Gestirns zum Nordpunkt (Azimut) feststellen und den Winkel zwischen Gestirn über dem Horizont (Höhe) messen.

Der Höhenwinkel wird mittels eines Sextanten gemessen.

Um diesen Winkel, den der Beobachter am Sextant abliest, in die wahre Höhe umzuwandeln, bedarf es noch der Beschickung durch Effekte wie Refraktion in Atmosphäre, Vergrößerung der Kimmtiefe durch große Augeshöhe, Horizontalparallaxeneffekt und Sextantenfehler.