Bestimmung von Kurs und Fahrt eines anderen Kontaktes

Wir werden das Thema anhand eines kokreten Beispiels aufbereiten:

Ein Fahrzeug A fährt einen Kurs von rwK = 060° mit einer Fahrt von FdW = 5kn. Dabei wird ein Fahrzeug B am nord-orientierten Radar wie folgt geortet:

Uhrzeit rwP Abstand
12:06 105° 7 sm
12:20 100° 5 sm

Bestimmen Sie relativ voraus- oder nordorientiert

  • den relativen Kurs KBr und die relative Geschwindigkeit vBr des Fahrzeuges B
  • Closest Point of Approach CPA – den Punkt der nächsten Annäherung – nach Abstand, rechtweisender Peilung rwP, Seitenpeilung SP, Zeitpunkt (TCPA)
  • Passierseite
  • Zeitpunkt und Abstand des Passierens der Kiellinie (voraus oder achteraus)
  • Kollisionsgefahr oder Nahbereichslage
  • den absoluten Kurs KB und die absolute Geschwindigkeit vB von Fahrzeug B

Eintragen der eigenen Kurslinie

Für voraus-orientierte Plots wird der relative Generalkurs ganz einfach eingetragen: Der Generalkurs wird vom Plot-Zentrum aus nach oben (Richtung 360°) eingetragen.

Für nord-orientierte Plots wird der rechtweisende Generalkurs in der vorgegebenen Richtung des rwK eingetragen.

Die Länge der Kurslinie orientiert sich an der eigenen Schiffsgeschwindigkeit und wird sogleich im Hinblick auf das unten beschriebene Plotverfahren berücksichtigt.

Schiffsgeschwindigkeiten bis 6 kn werden im Maßstab 1:1 – also bis zum 6 sm- Kreis – eingetragen; für größere Geschwindigkeiten wird gleich ein Verkleinerungsfaktor gewählt. Bis 10 kn wird der Vektor halbiert, bis 20kn wird der Vektor gedrittelt.

Gegebenenfalls muss die Wahl des Maßstabes später noch einmal revidiert werden, wenn sich hohe Relativgeschwindigkeiten ergeben.

Für die vorstehende Aufgabe wird wird der eigene Kurs (060°) bei nordorientierter Darstellung vom Zentrum aus in Richtung 060° eingetragen; die Länge der Kurslinie entspricht der Fahrt durchs Wasser, also 5 kn.

Eintragen der Plots des Gegner-Fahrzeuges

Die zuvor eingetragenen rechtweisenden Peilungen können nun unter Berücksichtigung der Abstände zum Plotzeitpunkt in das Plotting Sheet eingetragen werden.

Zu jedem Plot ist die Uhrzeit zu notieren – wenn viele Kontakte gleichzeitig geplottet werden, ist auch ein Kennzeichnungsbuchstabe für den entsprechenden Kontakt (z.B. „B“, „C“, …) zu vermerken.

In diesem Fall können die Plots für 12:06 Uhr (105° / 7sm) und 12:20 Uhr (100° / 5sm) direkt eingetragen werden.

Ermittlung der Relativbewegung

Wenn die Plots eingetragen sind, kann die Relativbewegung ermittelt werden.

Beim Eintrag von zwei Plots ist die Relativbewegung einfach die verlängerte Verbindungslinie dieser zwei Plots.

Die Richtung dieser ermittelten Bewegung kann jedoch in Realität von der tatsächlichen Bewegung abweichen, wenn ein oder beide Messungen ungenau oder falsch abgelesen wurden.

Besser ist es daher, mehr als zwei Messungen vorzunehmen. Wenn mehrere Plots eingetragen sind, stellt sich die Frage, wie denn die Bewegung verläuft. Meist verlaufen die Punkte nicht in einer Linie.

Mögliche Ursachen:

  • Ein (oder mehrere) Messpunkte sind falsch
  • Der Kontakt hat den Kurs oder die Fahrt geändert
  • Man hat selbst den Kurs oder die Fahrt geändert

Je nach Verlauf der Punkte kann die Linie gemittelt durch die Punkte verlegt werden – im Idealfall kann die Methode der kleinsten Fehlerquadrate angewandt werden, aber so weit werden wir jetzt hier nicht gehen, das ist eher ein statistisches Verfahren, das man Rechnern überlassen sollte.

Hat man sich – möglicherweise unter Ausblenden einzelner Punkte oder mittels des dicken Daumens – für eine Richtung entschieden, wird die Linie in Bewegungsrichtung verlängert.

Bestimmung des relativen Kurses

Die Richtung der relativen Bewegung wird ermittelt, in dem die Linie mittels der Kursdreiecke in den Mittelpunkt geschoben.

An der Kompassrose kann der Kurs abgelesen werden – aber bitte nicht den Gegenkurs nehmen. (Häufiger Fehler!)

Im Beispielfall wird die Relativbewegung wird in den Mittelpunkt verschoben und am Rand kann in Bewegungsrichtung der relative Kurs KBr=297° abgelesen werden.

Mache bitte auch nicht den Fehler und verlängere den Relativvektor ohne ihn zuvor in den Mittelpunkt zu schieben. Ich habe das schon oft gesehen, aber das Ergebnis wird einfach falsch!

Bestimmung der relativen Geschwindigkeit

Um die relative Geschwindigkeit des Gegners zu ermitteln, wird mit dem Zirkel der Abstand zwischen zwei Plots entnommen. Damit ist in der Tat der Abstände der Plots gemeint und nicht die Differenz der Abstände. (wobei wir bei einer weiteren beliebten Fehlerquelle wären).

Die relative Geschwindigkeit ermittelt sich durch Division von Abstand der Plots und Zeitdifferenz gemäß der Formel

    \begin{equation*} vBr = \frac{d}{\Delta T}\cdot 60 \end{equation*}

Der Abstand der Plots beträgt in diesem Fall 2,1sm; der Zeitunterschied beträgt ∆T =12:20−12:06 = 14min.
Die gesuchte Relativgeschwindigkeit beträgt also vBr = 2,1/14 · 60

Um hier den Taschenrechner oder gar das Gehirn nicht über zu strapazieren, bietet das Plotting Sheet eine kleine Hilfe mittels einer logarithmischen Tabelle, die unterhalb der Rose abgedruckt ist.

Man braucht nur den Zirkel – und schnell geht es auch.

Wir benötigen nur die oberste Skala (wenn mehrere abgedruckt sind) und gehen wie folgt vor:

Eine Zirkelspitze wird auf 2,1 (sm) eingestellt, die andere auf 14 (min).

Der Spreizwinkel des Zirkels entspricht nun der Geschwindigkeit.

Man merke sich dabei:

  • der linke Schenkel zeigt immer auf einen Distanz- oder Geschwindigkeitswert;
  • der rechte Schenkel zeigt immer auf einen Zeitwert.

Bei Geschwindigkeiten ab 60kn ändern sich die Verhältnisse, aber das sei hier nicht weiter betrachtet

Es gilt:

  • Je kleiner die Geschwindigkeit, desto größer der Spreizwinkel – und umgekehrt:
  • Je größer die Geschwindigkeit (wie gesagt: bis max. 60kn), desto kleiner ist der Spreizwinkel.

Um aus den Werten 2,1sm/14min die Geschwindigkeit zu ermitteln, wird der Zirkel nach rechts verschoben, bis der „Minutenschenkel“ auf die 60 zeigt (=1 Stunde).

Der „Distanz/Geschwindigkeitsschenkel“ zeigt dabei bei unverändertem Spreizwinkel auf die „9“.

Das bedeutet, die relative Geschwindigkeit beträgt 9kn.

(Bei genauer Rechnung ermittelt man 8,9kn, die Distanz zwischen den Plots ist demnach mit 2,07 geringfügig geringer, was aber in der Praxis in dieser Genauigkeit kaum abgelesen werden kann)

Ermittlung des Closest Point of Approach CPA

Der CPA (Closest Point of Approach) ist der Punkt auf der Relativbewegung, die sich aus der Verlängerung der Verbindung der Plots ergibt, der den geringsten Abstand zum Zentrum aufweist.

Geometrisch wird dieser Punkt ermittelt, indem eine Senkrechte der Relativbewe- gung durch das Zentrum gebildet wird. Der CPA befindet sich im Schnittpunkt der Senkrechten mit der Relativbewegung.

Richtung des CPA

Die Richtung zum CPA, oder auch Peilung zum CPA, wird als rechtweisende oder Seitenpeilung angegeben.

Die Peilung entspricht der Richtung der Senkrechten und muss immer einen Wert ergeben, der entweder um 90° größer oder um 90° kleiner ist als die Relativbewegung – sonst ist etwas falsch.

In einem nord-orientiertem Plot kann die rechtweisende Peilung direkt abgelesen werden, die Seitenpeilung ergibt sich als Differenz zwischen (rechtweisendem) Generalkurs und rechtweisender Peilung.

Für das Beispiel peilt der CPA in rechtweisend 027°. (Seitenpeilung: 027°-060° = (-) 33° Bb oder 327°)

In einem vorausorientierten Plot kann hingegen die Seitenpeilung direkt abgelesen werden, die rechtweisende Peilung zum CPA muss durch Addition des Generalkurses errechnet werden.

Abstand zum CPA

Der Abstand zum CPA – auch „Passierabstand“ genannt, ist die Distanz zwischen Plot-Zentrum und CPA. Diese Distanz wird mit dem Zirkel heraus gemessen – in diesem Fall zu 1,5sm.

Zeitpunkt des Erreichens des  CPA (TCPA)

Um den Zeitpunkt zum Erreichen des CPA (Time CPA – TCPA oder auch TCA – Time of closest Approach) zu ermitteln, muss zunächst die (relative) Distanz heraus gemessen werden, die der Kontakt zurücklegen muss.

Diese Distanz kann sich auf den ersten oder zweiten Plotzeitpunkt beziehen. Die Zeitbasis muss sich bei der Berechnung auf den selben Plotpunkt beziehen.

In diesem Fall wird der erste Plot verwendet und die relative Distanz, die zurückgelegt werden muss, ist die Distanz zwischen erstem Plot und CPA – in diesem Fall 6,8 sm.

Nun wird mittels logarithmischer Tafel die Zeitdifferenz ermittelt.

Dazu ist es nötig, den Zirkelspreizwinkel wieder auf die Relativgeschwindigkeit einzustellen. Also 9sm in 60min.

Tip: Am besten verwendet man hierzu einen zweiten Zirkel (möglichst mit Feststellrad), der fest auf den Winkel eingestellt ist und nur für die logarithmische Skala verwendet wird.

Ich selbst mache es jedoch so, dass ich zunächst alle relanten Punkte im Plot ermittle (u.a. CPA, Passieren Kiellinie) und ermittle dann die Geschwindigkeiten und Zeitpunkte alle in einem Rutsch – je nachdem was einem besser gefällt.

Der Zirkel mit der eingestellten Relativgeschwindigkeit wird nun (mit dem Distanzschenkel) auf die 6,8 sm geschoben, der Zeit-Schenkel zeigt dabei auf 46min.

Das heißt, zwischen erstem Plot und Zeitpunkt des CPA vergehen 46min, der Zeitpunkt zum Passieren des CPA ergibt sich also zu

12:06 + 46 = 12.52 Uhr.

Ermittlung der Passierseite

Die Passierseite ergibt sich aus der Ermittlung des CPA:

An welcher Seite (Bb oder Stb) wird der CPA sein?

Wenn die Seitenpeilung des CPA bereits ermittelt wurd, ist es ganz einfach – in diesem Fall ist es die Backbord-Seite.

Die Passierseite kann aber auch einfach graphisch ermittelt werden: Liegt der CPA rechts oder links der Kiellinie?

Ermittlung des Passieren der Kiellinie

Die Ermittlung des Passierens der Kiellinie erfolgt ähnlich wie die Ermittlung des CPA.

Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob der Kontakt die Kiellinie voraus oder achteraus passieren wird.

Diese Frage beantwortet sich dadurch, ob die Relativbewegung die Vorauslinie des Eigenvektors kreuzt – so wie im Beispielfall, oder ob die Relativbewegung diese Linie nicht kreuzt sondern achtern vorbei führt.

In diesem Fall muss der eigene Vektor auch in den achteren Bereich verlängert werden, um den Schnittpunkt zu finden.

Hier ein Beispiel für das Passieren im Achteraus-Bereich mit gleichen Plots, aber einem Eigenkurs von 180°:

Aber zurück zu unserer Aufgabe und dem Eigenkurs von 060°.
Für diesen Fall stellt sich Situation wie folgt dar:
Der Schnittpunkt des Passierens der Kiellinie (im Voraus-Bereich) hat eine Distanz zum Zentrum von 1,8sm – d.h. Der Kontakt B wird in einem Abstand von 1,8sm voraus die Kiellinie passieren.

Die Ermittlung des Zeitpunktes für das Passieren der Kiellinie erfolgt analog wie die Ermittlung des TCA – die Distamz von erstem Plot bis Passierpunkt wird ausgemessen. Per Logarithmenskala wird der Zeitraum ermittelt. In diesem Fall beträgt die relative Distanz 5,9 sm.

Es vergehen 40 min vom ersten Plot ab, bis der Kontakt voraus liegt; der Zeitpunkt ist also

12:06 + 0.40 = 12.46 Uhr.

Kollisionsgefahr oder Nahbereichslage

Um abzuschätzen, ob sich eine Kollisionsgefahr oder eine Nahbereichslage ergibt, werden wir erst einmal die Voraussetzungen klären.

Ohne an dieser Stelle weit auszuholen, wenden wir folgendes an:

  • Bei verminderter Sicht ergibt sich eine Kollisionsgefahr bei einer Annäherung (CPA) auf ca. 0,5 sm.
  • Den Nahbereich legen wir auf 2 sm fest.

Wie gesagt, wie man zu den Werten kommt, hängt von vielen Faktoren ab wie beispielsweise Sichtweite, Manövrierbarkeit des eigenen und Gegnerfahrzeug, Verkehrsdichte, Seeraum, Wind, etc.

Unter diesen Bedingungen ergibt sich im Beispielfall eine Nahbereichslage.

Ermittlung der absoluten Bewegung des Gegners

Zur Ermittlung der absoluten Bewegung des Gegners nach Kurs (KB) und Ge- schwindigkeit (vB) muss ein Dreieck gezeichnet werden.

Dazu zunächst eine Bemerkung:

Im folgenden ist ein Plotverfahren dargestellt, das Du möglicherweise nicht in anderen Lehrbüchern für Sportbootbootführerscheine findest.

Warum mache ich das anders?

Die Dreiecke, die in anderen Büchern vorzufinden sind, sind an der Relativbewegung direkt an den Plots angetragen, beziehen sich immer auf einen Zeitunterschied von 6 min (bei anderen Zeitunterschieden muss umgerechnet werden) und im Verhältnis zum gesamten Plotting Sheet „mikroskopisch klein“. Dadurch wird die Ablesung des Gegnerkurses schwierig und oft ungenau.

Bei der hier dargestellten Methode wird das Plotting Sheet besser ausgenutzt und es werden vor allem größere Dreiecke gezeichnet. Die Winkel- und Seitenverhältnisse sind identisch zu den „Mikro-Dreiecken“; der Mathematiker bezeichnet die Dreiecke als ähnlich.

Natürlich hat die Methode mit den kleinen Dreiecken am Plot auch Vorteile. So verliert der eine oder andere bei den Dreiecken im Zentrum am Anfang die Übersicht, aber mit etwas Übung geht es dann sehr gut.

Nun zur Methode:

Um das Dreieck zu konstruieren, muss die Relativbewegung an die Spitze des Eigenvektors verschoben werden.

Die Länge des Pfeiles für die Relativbewegung entspricht der Relativgeschwindigkeit – in unserem Fall also 8,9kn. (Ich verwende hier den genauen Wert)

Jetzt heisst es wieder, nicht die Skalen zu verwechseln. Um 8,9kn anzutragen, stelle den Zirkelspreizwinkel (im Plot) auf 8,9sm ein.

Es ist häufig zu beobachten, dass der Spreizwinkel aus der Logarithmenskala, der ja der Geschwindigkeit entspricht, genommen wird. Das geht natürlich nicht, da im Plot ja ganz andere Maßstabsverhältnisse herrschen!

An dieser Stelle kann es im übrigen notwendig sein, den Maßstab des Dreiecks zu reduzieren.

Das wird dann notwendig, wenn die Relativbewegung aus dem Plot herausführt.
In einem solchen Fall wird von dem Stundendreieck (da die Geschwindigkeiten im Maßstab 1:1 eingetragen werden, was den Verhältnissen in einer Stunde entspricht) um einen Faktor reduziert.

Oft reicht es, ein Halbstunden-Dreieck zu zeichnen, also alle Geschwindigkeitsangaben in Knoten zu halbieren und diese Werte für das Dreieck zu verwenden.

Aus 5sm/h für den Eigenvektor würden dann 2,5sm/30min, aus 8,9sm/h würden 4,45sm/30min.

Die Verwendung einer 2:1 Skala ist für unser Beispiel absolut nicht notwendig – sie kompensiert ja auch den Vorteil der großen Dreiecke – aber hier sei dieses Beispiel einmal zur Demonstration gezeichnet.

Damit man nicht selbst durch zwei teilen muss, sind für diesen Fall rechts und links vom Plot Verkleinerungsskalen abgedruckt. Ganz links ist die Skala für den Verkleinerungsfaktor 1:2 zu finden. Weitere Skalen für noch höhere Geschwindigkeiten sind 3:1, 4:1 und 5:1.

Kehren wir wieder zu unserem 1:1 Dreieck zurück.

Die Linie vom Zentrum zum Ende der Relativbewegung entspricht der absoluten Bewegung des Gegners.

Der Kurs kann an der Rose abgelesen werden – in diesem Fall KB = 332°, die Geschwindigkeit beträgt vB = 7,4 kn.

Wenn mit anderen Maßstäben (2:1, 3:1 etc. bitte zunächst über die Skala umrechnen!)