Bisher sind wir davon ausgegangen, dass ein Gestirn zum Zeitpunkt des Meridiandurchgangs auch seine größte (bzw. geringste) Höhe einnimmt.
Diese Annahme stimmt allerdings nur
- für den Fall, dass für den Beobachter keine Breitenänderung in nördliche oder südliche Richtung vorliegt und nur
- für Gestirne ohne zeitabhängige Deklinationsänderung, also Fixsterne
Bewegt sich der Beobachter auf das Gestirn zu, so findet die obere Kulmination (=größte Höhe) kurz nach dem Meridiandurchgang statt, auf Gegenkurs kurz vor dem Meridiandurchgang.
Der Zeitunterschied zwischen Meridiandurchgang und Kulmination ist umso größer, je größer der Geschwindigkeitsanteil in nördliche bzw. südliche Richtung ist.
Bei Deklinationsveränderungen (z.B. Sonne, Mond) findet die Kulmination im Falle eines zunehmenden Deklinationsbetrages kurz nach dem Meridiandurchgang statt, bei abnehmendem Deklinationsbetrag kurz vor dem Meridiandurchgang.
Große Abweichungen entstehen beispielsweise bei einem Kurs auf das Gestirn zu (z.B. Südkurs bei Kulmination im Süden) mit hoher Geschwindigkeit und rasch zunehmender Deklination.
Bei der Sonne beträgt die Deklinationszunahme unmittelbar nach Frühlings- bzw. Herbstanfang ca. 1′ pro Stunde. Beim Mond können die Unterschiede 17′ pro Stunde erreichen. (max. 18′)
Die Zeitverschiebung zwischen Meridiandurchgang und Kulmination verursacht eine Höhendifferenz Δh zwischen Kulminationshöhe hKu und Meridianhöhe h0.
/t und /t in Winkelminuten pro Stunde
Die Breitenänderung für einen beliebigen Kurs α berechnet sich wie folgt:
mit Az: Azimut des Gestirns in der Kulmination (also 0° bzw. 180°)
Die Deklinationsänderung wird im Nautischen Jahrbuch als „Unt“ abgelesen, was ja den Unterschied der Deklination pro Stunde darstellt.
Durch den Unterschied zwischen Meridiandurchgang und Kulmination ergibt sich auch eine Differenz im Ortsstundenwinkel ΔtKu:
bzw.
Die Zeitdifferenz für die Sonne zwischen Meridiandurchgang und Kulmination beträgt:
Beispiel:
Sie fahren am 25.03.2005 auf 50°N mit Südkurs eine Geschwindigkeit von 10kn und messen die obere Kulminationshöhe der Sonne.
Welche Höhendifferenz zwischen Kulminationshöhe und Meridianhöhe ergibt sich?
Bei Südkurs 10kn ergibt sich ein Δφ/Δt = 10’/h ; Δδ/Δt = 1’/h (Unt=1,0)
bzw.
Der Unterschied des Ortsstundenwinkels ΔtKu beträgt:
Der Zeitunterschied zwischen Meridiandurchgang und Kulmination beträgt 200 sec; die Kulmination wurde also 3 min 20 sec nach dem Meridiandurchgang gemessen.