Mittagsbreite

Ein besonders schönes und auch das am häufigsten angewendete Verfahren ist die Ermittlung des Breitengrades durch Beobachtung der Sonne zur Mittagszeit.

Dieses Verfahren ist ein Spezialfall einer Meridianbreite für die Sonne im oberen Meridian – doch dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Schiffsmittag ist dann, wenn die Sonne den höchsten Punkt ihrer Tageslaufbahn erreicht (Kulmination) und somit genau im Süden steht.
(Oder je nach Konstellation im Norden)

Würde die Deklination der Sonne gleich Null sein; würde ihr Bildpunkt also genau am Äquator liegen, dann wären die geometrischen Verhältnisse dieser Konstellation ganz einfach.

Die Breite des Beobachtungsortes würde genau der Zenitdistanz (also 90°) minus Wahre gemessene Höhe entsprechen.

Zenitdistanz = 90° – Höhe

bzw.

Breite = 90° – Höhe

Leider tritt dieser Zustand nur zweimal im Jahr ein; zum Frühlingsbeginn und zum Herbstbeginn.

In den übrigen Zeiten ist Deklination größer als Null – entweder in nördlicher oder in südlicher Richtung und muss bei der Berechnung der Breite berücksichtigt werden.

Zunächst wird der Kulminationszeitpunkt vorausberechnet, damit wir den Verlauf der Sonne nicht stundenlang verfolgen müssen.

Der Kulminationszeitpunkt ergibt sich aus dem Kulminatioszeitpunkt der Sonne in Greenwich, der für jeden Tag auf den Tagseiten im Nautischen Jahrbuch angegeben ist oder aus der Zeitgleichung

    \begin{equation*} T_{\mathit{Greenwich}}\ =\ 12.00\ -\ e \end{equation*}

Um den Kulminationszeitpunkt am gegißten Mittagsort zu erhalten, muss der Längengrad in Zeit berücksichtigt werden.

\lambda \mathit{i.Z.}\ =\ \frac{\lambda }{15{}^{\circ}}

und somit

T_{\mathit{Standort}}\ =\ T_{\mathit{Greenwich}}\ +\lambda \mathit{i.Z.}

Etwa 15 min vor der berechneten Kulmination wird nun der Sonnenunterrand wiederholt gemessen.

Da werden wir feststellen, dass die Höhe langsam zunimmt, bis sie für ein paar Minuten stillzustehen scheint.
Wenn sie wieder beginnt zu sinken, beenden wir die Messung und lesen die Kulminationshöhe ab.

Den Zeitpunkt der Kulmination können wir jedoch nicht exakt bestimmen.

Aus der Sextantablesung wird die beobachteten Höhe hb ermittelt.

Für den Kulminationszeitpunkt wird aus dem Nautischen Jahrbuch die Deklination der Sonne abgelesen.

Die Breite ergibt sich bei

  • Kulmination im Südmeridian nach φ = 90° + δ – hSM
  • Kulmination im Nordmeridian nach φ = hNM + δ – 90°

Wir unterscheiden dabei drei Fälle:

  1. Deklination und Breite ungleichnamig
    (z.B. Beobachtung der Januarsonne auf der Nordhalbkugel)
  2. Deklination und Breite gleichnamig; die Breite ist größer als die Deklination
    (z.B. Beobachtung der Maisonne auf 40° Nord)
  3. Deklination und Breite gleichnamig; die Breite ist kleiner als die Deklination
    (z.B. Beobachtung der Dezembersonne auf 10° Süd)

Deklination und Breite ungleichnamig

Beispiel:

Sie messen am 10.02.2005 auf ca. 42° N und 17° E (südliche Adria) den Sonnenunterrand im Süden.
Sie lesen am Sextant 33° 28′ ab, Ib = -2′, Ah = 2m.

  1. Bestimmung des Kulminationszeitpunktes

    tGreenwich 12.14 UT1
    λ in Zeit – 01.08 (17° / 15)
    t 11.06 UT1
  1. Berechnung der beobachteten Höhe hb
    SA 33° 28,0′
    + Ib -2,0′
    KA 33° 26,0′
    + Gb +12,1′ (Interpoliert zwischen 30° und 35°)
    + Zb +0,2′
    hb 33° 38,3′ hSM (Höhe im Südmeridian)
  1. Bestimmung der Deklination
    δ11.00 UT1 14° 14,3′ S Betrag zunehmendm Unt = 0,8
    + Vb 0,1′
    δ11.06 UT1 14° 14,4′ S
  1. Berechnung der Breite nach der Formel

        \begin{equation*} \varphi \ =\ 90{}^{\circ}\ +\ \delta \ -\ h_{\mathit{SM}} \end{equation*}

    89° 60,0′ (=90° 00,0′; diese Darstellung eignet sich besser zur Subtraktion)
    + δ -14° 14,4′ („-“ da Deklination südlich)
    75° 45,6′
    hSM – 33° 38,3′
    φ 42° 07,3′ N

Deklination und Breite gleichnamig; die Breite ist größer als die Deklination

Beispiel:

Sie messen am 06.07.2005 auf ca. 42° N und 17° E (südliche Adria) den Sonnenunterrand im Süden.
Sie lesen am Sextant 70° 20′ ab, Ib = -2′, Ah=2m.

  1. Bestimmung des Kulminationszeitpunktes
    tGreenwich 12.05 UT1
    tGreenwich 11.65 UT1 (ist gleichbedeutend mit 12.05, lässt sich aber besser rechnen)
    λ in Zeit -01.08 (17° / 15)
    t 10.57 UT1
  1. Berechnung der beobachteten Höhe hb

    SA 70° 20,0′
    + Ib -2,0′
    KA 70° 18,0′
    + Gb +13,2′
    + Zb -0,2′
    hb 70° 31,0′ hSM (Höhe im Südmeridian)
  1. Bestimmung der Deklination
    δ10.57 UT1 22° 39,3′ N
  1. Berechnung der Breite nach der Formel

        \begin{equation*} \varphi \ =\ 90{}^{\circ}\ +\ \delta \ -\ h_{\mathit{SM}} \end{equation*}

    90° 00,0′
    + δ + 22° 39,3′ („+“ da Deklination nördlich)
    112° 39,3′
    hSM – 70° 31,0′
    φ 42° 08,3′ N

Deklination und Breite gleichnamig; die Breite ist kleiner als die Deklination

Beispiel:

Sie messen am 31.01.2005 auf ca. 02° S und 005° E (Golf von Guinea) den Sonnenunterrand im Süden.
Sie lesen am Sextant 74° 25′ ab, Ib = -2′, Ah=2m.

  1. Bestimmung des Kulminationszeitpunktes

    tGreenwich 12.13 UT1
    tGreenwich 11.65 UT1 (ist gleichbedeutend mit 12.05, lässt sich aber besser rechnen)
    λ in Zeit -01.08 (17° / 15)
    t 10.57 UT1
  1. Berechnung der beobachteten Höhe hb

    SA 70° 20,0′
    + Ib -2,0′
    KA 70° 18,0′
    + Gb +13,2′
    + Zb -0,2′
    hb 70° 31,0′ hSM (Höhe im Südmeridian)
  1. Bestimmung der Deklination

    δ10.57 UT1 22° 39,3′ N
  1. Berechnung der Breite nach der Formel

        \begin{equation*} \varphi \ =\ 90{}^{\circ}\ +\ \delta \ -\ h_{\mathit{SM}} \end{equation*}

    90° 00,0′
    + δ + 22° 39,3′ („+“ da Deklination nördlich)
    112° 39,3′
    hSM – 70° 31,0′
    φ 42° 08,3′ N

Sonne im Nordmeridian

Beispiel:

Sie messen am 06.06.2005 auf ca. 38° S und 045° W (Südatlantik vor Küste Uruguays) die Sonne im Norden.
Sie lesen am Sextant 29° 10′ ab, Ib = -2′, Ah=2m.

  1. Bestimmung des Kulminationszeitpunktes

    tGreenwich 11.59 UT1
    λ in Zeit + 03.00 (45° / 15)
    t 14.59 UT1
  1. Berechnung der beobachteten Höhe hb
    SA 29° 10,0′
    + Ib -2,0′
    KA 29° 08,0′
    + Gb + 11,9′
    + Zb -0,2′
    hb 29° 19,7′ hNM (Höhe im Nordmeridian)
  1. Bestimmung der Deklination

    δ 22° 42,3′ N
  1. Berechnung der Breite nach der Formel

        \begin{equation*} \varphi \ =\ h_{\mathit{NM}}\ \ +\ \delta \ -\ 90{}^{\circ} \end{equation*}

    hNM 29° 19,7′
    + δ 22° 42,3′ („+“ da Deklination nördlich)
    52° 02,0′
    – 90° 00,0′
    φ – 37° 58,0′ S